Allgemeine Informationen zum Kostenerstattungsverfahren bei Systemversagen

Unsere Praxis „Ergo am Ring“ wurde schwerpunktmäßig zu einer Privatpraxis umgewandelt. Wir decken lediglich noch den gesetzlichen Anteil von 25 Stunden für gesetzlich versicherte Patienten ab.

Gesetzlich versicherte Patienten haben jedoch die Möglichkeit, über ein sogenanntes Kostenerstattungsverfahren bei Systemversagen (KEV) auch die Privatsprechstunden nutzen zu können.

Kurzum beantragen Sie mit dem KEV die Übernahme der Kosten in der privaten Sprechstunde, bei Ihrer gesetzlichen Krankenkasse.

Möchten Sie über KEV eine Privatsprechstunde vereinbaren, klicken Sie bitte hier.

Wir behandeln Patienten welche über die gesetzliche Krankenversicherung versichert sind mit einem Stundenkontingent der gesetzlich vorgeschriebenen 25 Stunden pro Woche. Diese Plätze sind jedoch überwiegend langfristig mit chronisch erkrankten Patienten belegt.

Immer wieder werden jedoch auch Plätze als Springerplätze frei.

Da uns das Gesundheitssystem täglich vor viel Zeit- und Kostenintensive Herausforderungen stellt, sind hier einige Gründe, warum wir uns als ergotherapeutische Praxis dazu entschieden haben, überwiegend Privatsprechstunden anzubieten und die Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenkassen zu reduzieren:

Die Hintergründe zur Änderung unserer Praxisabläufe haben wir hier für Sie zusammengefasst:

Bürokratischer Aufwand: Die Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenkassen ist oft mit erheblichem bürokratischem Aufwand verbunden. Dies umfasst u.a. die Einhaltung strenger Dokumentationsanforderungen und die Bearbeitung von Rückfragen oder Ablehnungen, was wertvolle Zeit und Ressourcen bindet.

Es ist ein enormer Aufwand, der mit großem zeitlichen Aufkommen verbunden ist und finanziell nicht aufzufangen ist.

Allein die Überprüfung der korrekten Rezeptausstellung von Seitens der Arztpraxen und deren Erfassung erfordert viel Zeit. Kommt es dann zur Rezeptabrechnung, kann bereits ein falsch gesetztes Kreuz zur Absetzung des gesamten Rezeptes führen und der Therapeut hat 10 oder mehr Behandlungen umsonst durchgeführt.

Uns als Heilmittelerbringer wird von Krankenkassenseite immer mehr Bürokratie aufgeladen. Wir als Praxis sind quasi unbezahlte Sekretär:innen für die Krankenkassen und zuständig dafür, den gesetzlichen Eigenanteil von 10 Euro pro Rezept und 10% der Behandlungskosten von den erwachsenen Klient:innen einzuziehen. Die Krankenkassen weigern sich, die Einziehung des Betrages selbst vorzunehmen.

Aus- und Weiterbildungskosten: Die ergotherapeutische Ausbildung erfolgte bis vor kurzem fast ausschließlich an privaten Fachschulen und kostete zwischen 15.000€ – 25.000€. Dies ermöglicht nur wenigen potentiellen Interessenten eine Ausbildung, welche den finanziellen Hintergrund durch die Eltern oder das Aufnehmen von Schulden stemmen können.

Die Ausbildung ist eine Vollzeitausbildung und ohne Ausbildungsvergütung.

Nach diesen 3 Jahren steht lediglich der Grundstock und das notwendige fachliche know how muss man sich durch Berufserfahrung und zahlreiche Fort- und Weiterbildungen kostenpflichtig erarbeiten.

Zwischenzeitlich haben wir immerhin das große Glück in Hessen eine Schulgeldfreiheit erreicht zu haben, woran man glücklicherweise auch einen Anstieg an Auszubildenden bemerkt. In unserem Nachbarbundesland Baden- Württemberg ist dies leider noch nicht der Fall und wäre genauso wichtig, da das Einzugsgebiet für mögliche Therapeut:innen ebenfalls auch dieses Bundesland betrifft.

Uns ist es wichtig, eine gut fundierte und an den neuesten Forschungsergebnissen orientierte Behandlung in allen Bereichen durchzuführen. Hierfür sind in den meisten Fällen hohe und kostspieliges Fortbildungen nötig, welche von den Praxen oder deren Mitarbeitern getragen werden müssen.

Es wird im Gesundheitswesen nicht honoriert, dass Therapeut:innen Zeit und Geld für Fort- und Weiterbildungen investieren.

Unzureichende Versorgung: Die Behandlungssätze der gesetzlichen Krankenkassen steigen oft nicht im gleichen Maße wie die Betriebskosten. Dies führt dazu, dass die Vergütung für erbrachte Leistungen nicht kostendeckend ist, was die finanzielle Stabilität der Praxis gefährden kann.

Die gesetzliche Krankenkasse bezahlt für eine Therapiestunde Ergotherapie immer einen gleichbleibenden Pauschalbetrag. Ganz unabhängig davon, ob eine Berufsanfängerin die Behandlung durchführt oder eine Person, die mehrere tausende Euro in die Weiterbildung gesteckt hat oder über mehr als 10 oder 20 Jahre Berufserfahrung verfügt.

Der Anteil an Aufgaben, welche nicht vergütet werden ist einfach zu groß, um im Gesundheitswesen halbwegs wirtschaftlich arbeiten zu können.

Kein Mitarbeiter der freien Wirtschaft würde auf eine von der Firma empfohlene Fortbildung gehen und dabei für Fahrt- und Übernachtungskosten, ggf noch einen Teil oder die gesamten Fortbildungskosten selbst aufkommen und dafür noch Urlaubstage nehmen.

Mitarbeiterlöhne: Um qualifizierte Fachkräfte zu halten und zu motivieren, sind angemessene Gehälter notwendig. Die begrenzten Einnahmen aus der Abrechnung mit gesetzlichen Krankenkassen erschweren es, wettbewerbsfähige Löhne zu zahlen.

Wir sind als freie Ergotherapiepraxen gar nicht so frei, da natürlich die möglichen Einnahmen (und dadurch auch die Möglichkeiten der Mitarbeitervergütung) durch die Vergütungsstruktur der gesetzlichen Krankenkasse gedeckelt sind.

2018 wurde ein krankenkassenunabhängiges Wirtschaftlichkeitsgutachten erstellt. Therapeut:innen kennen es unter dem Begriff WAT-Gutachten. Hier gibt es vom DVE (Deutscher Verband für Ergotherapeuten) eine kurze Zusammenfassung:

WAT-Gutachten: GKV-Preisanpassungen von bis zu 92 Prozent notwendig

Prof. Dr. Günter Neubauer, Direktor des Instituts für Gesundheitsökonomik (IfG), stellte heute (30. Juli 2020) im Rahmen einer Pressekonferenz die wichtigsten Ergebnisse des WAT-Gutachtens (Wirtschaftlichkeitsanalyse ambulanter Therapiepraxen) vor. Demnach sei nur mit einer deutlichen Erhöhung der Vergütung im Rahmen der anstehenden Preisverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband langfristig eine wirtschaftliche Praxisführung möglich.

Die nachfolgenden Zahlen und Ergebnisse des Gutachtens beziehen sich auf das Betrachtungsjahr 2018:

  • Die GKV-Preise müssten (je nach Heilmittelbereich) insgesamt zwischen 42 und 92 Prozent angehoben werden, um ein angemessenes Inhabereinkommen und eine konkurrenzfähige Mitarbeitervergütung gewährleisten zu können.
  • Zwischen angemessenem Einkommen und tatsächlichem Überschuss klaffe eine Lücke, die über eine GKV-Preisanpassung von 22 Prozent (Ergotherapie), 24 Prozent (Physiotherapie), 49 Prozent (Logopädie/Sprachtherapie) und 72 Prozent (Podologie) geschlossen werden könne.
  • Die GKV-Preise müssten demnach zwischen 13 und 39 Prozent angehoben werden, um langfristig eine wettbewerbsfähige Vergütung der angestellten Therapeuten sicherzustellen.
  • Darüber hinaus müsse zusätzlich der erhebliche Verwaltungsaufwand in Heilmittelpraxen, der sich im Gutachten gezeigt hat, in der Vergütung berücksichtigt werden.

Flexibilität., Individualität & Qualität der Versorgung: Privatsprechstunden ermöglichen es, individuellere und flexiblere Therapieangebote zu gestalten, die besser auf die Bedürfnisse der Patienten abgestimmt sind, ohne durch die Vorgaben der Krankenkassen eingeschränkt zu sein.

Durch eine angemessene Vergütung ist es möglich, Therapien effizienter vorzubereiten und durchzuführen.

Durch die Fokussierung auf Privatsprechstunden kann die Praxis mehr Zeit und Ressourcen in die Qualität der Versorgung investieren, was zu besseren Therapieergebnissen und höherer Patientenzufriedenheit führen kann.

Der demografische Wandel zeigt den Bedarf von allen Heilmittelerbringen immer mehr und der Fachkräftemangel nimmt stetig zu.

Nur wenn wir anfangen uns dagegen zu wehren, haben wir eine Chance für die Zukunft eine Veränderung zu bewirken.